Was hat Fuji, die Kamera-/Filmmarke mit Hocho, dem japanischen Küchenmesser gemein, außer dass beide dem Ursprungsland Japan entstammen? Na, das GAS, das Gear Acquisition Syndrome. Zur fotografischen Acquise gibt es einen lesenswerten Artikel mit einem kurzem Video auf FotoEspresso.
Im Gegensatz zu den modernen hochtechnisierten Fotoprodukten weisen japanische Küchenmesser (Hocho) eine archaische Technologie auf, die in ihrer Gegensätzlichkeit ebenfalls faszinieren kann, was den Alltagsgebrauch in der Küche anbelangt und erst recht, wenn man diesen manchmal grob scheinenden, aber im Detail sehr feinen Objekten wieder ihre phänomenale Schärfe zurückzugeben versucht.
Als Togishi {砥師 (alte Schreibweise) – 研師 (neue Schreibweise), von „togu“ (schleifen, polieren,schärfen) und „shi“ (Ausübender)} wird in Japan ein Schwertpolierer bezeichnet, der dem geschmiedeten Stahl seine endgültige Form, Oberfläche und Schärfe gibt. Wer sich schon einmal im präzisen Feinschleifen besonders von einem Hocho mit seinem kohlenstoffhaltigen, nicht ganz rostfreien, dafür sehr harten und schneidhaltigen Stahl versucht hat, der kann die unermessliche Geduld, die dieser alte japanische Lehrberuf (5-7 Jahre) einfordert, nachvollziehen – den kriegerischen Hintergrund zur Seite schiebend. YouTube bietet hierfür einige Anschauungsmöglichkeiten:
- https://youtu.be/GnCpshnXS_c,
- https://www.youtube.com/watch?v=T5lmhZiup3o&feature=youtu.be&app=desktop,
- https://youtu.be/fCYib7Jbq0g.
Für das profane Messerschleifen auf Wassersteinen gibt es auf YouTube zahlreiche englisch- oder deutschsprachige Videos; diese Beispiele muten vielleicht etwas autentischer an:
- https://www.youtube.com/watch?v=IFZv0IsDQsk&app=desktop,
- https://www.youtube.com/watch?v=HqbszZJCfgo&app=desktop,
- https://www.youtube.com/watch?v=gWW7Jyl42DE&app=desktop.
Profunde und sehr detaillierte Informationen bietet Leonhard Ullrich auf seiner hervorragenden Webseite http://messer-machen.de.
Hinsichtlich meines fotografischen GAS und aufgrund der früheren Erfahrungen mit speziellen langbrennweitigen Makroobjektiven wollte ich für nur noch gelegentliche Makrofotografie auf ein Spezialobjektiv verzichten und habe deswegen zu dem kleinen Zwischenring Fujifilm MCEX-11, der für einen geringen Betrag zu erhalten ist, gegriffen. Als Objektiv mit praktikabler Nahdistanz und hoher Nahauflösung hatte sich bereits das Fujinon XF50mm F2 R WR bewährt. Unchärfenprobleme gab es bei dieser Kombination allenfalls durch meine unruhige Hände (trotz 1/500 s) und die geringe Schärfentiefe bei der Blende f 8.
Alle Aufnahmen entstanden kurz vor dem (eigentlich immer irgendwie meditativen) Schleifen der Messer freihändig und ohne Stativ in der Nachmittagssonne auf der Terrasse, z.T. mit aufgehellten Schatten durch eine kleine Neewer LED-Leuchte. Auslöser für diese Fotospielchen waren die Aussagen meiner Frau, „mit meinem Lieblingsmesser tränen die Augen beim Zwiebelschneiden“ und „ich komme nicht mehr richtig durch das Gemüse“ – was als Handlungsauftrag zu verstehen war.
Das kleine Lieblingsmesser, ein Ajikiri, ein vielseitiges Putzmesser:
Für die kohlenstoffhaltigen Stahlsorten Aogami, Shirogami oder V1 nicht ganz optimal (zu harte Bindung), aber durch fehlende Vorwässerung, geringen Abrieb und plane Oberfläche sehr praktisch im Alltag, die Serie Shapton Glass Stone:
Die Signatur von Meister Shigefusa am großen Lieblingsmesser, einem Nakiri (beidseitig geschliffen), manchmal auch Usuba (einseitig geschliffen) genannt, ein großes Gemüsemesser; Schneidlage hier aus V1-Kohlenstoffstahl, gehärtet bis 64 HRC, dadurch unübertroffene Schneidpräzision und Schnitthaltigkeit:
Ein langes schmales Yanagiba insbesondere für Sashimi (Fisch), aber auch für Fleisch oder Schinken, das feine Filetierung oder ein hauchdünnes Carpaccio ermöglicht:
Unattraktive, aber keinesfalls problematische Hinterlassenschaften insbesondere von Säure haltigen Frischgemüse (wenn die Klinge nicht zeitnah abgewischt wird):
Thema mit Variationen, Naturholzgriffe:
Klingenansatz:
Klingenspitzen (Yanagiba, Nakiri, Gyuto):
Wir sind erstmals vor vielen Jahren auf einer Werkzeugausstellung (ich brauchte eine gute Spaltaxt für das Kaminholz) im ehemaligen Kloster Brunshausen auf den Werkzeuglieferanten DICTUM aufmerksam geworden, der seine Webseite unter das Motto „Mehr als Werkzeug – Handwerk in Perfektion“ gestellt hat. Im Abschnitt Japanmesser finden sich Hintergrund-Informationen hierzu und gut beschriebene Angebote aus verschiedenen Preisklassen – ohne dass man befürchten muss, auf abstruse Mondpreise hereinzufallen.
Ein weiterer Anbieter für Küchenmesser mit einem großen Angebot und umfangreichen Informationen ist u.a. messerspezialist.de. Abschließend einige Worte von Matthias Wimmer aus seinem MESSERSPEZIALISTblog zur Pflege von Messern aus Carbonstahl.
Dr. Dietmar Schmidt
Hallo Siegfried,
ein interessanter Beitrag zum Thema japanische Messer, der mir sehr gut gefallen hat. Auch der Grund (Handlungsauftrag) für den Beitrag ist nur zu verständlich…!
Insbesondere die Nah-Aufnahmen finde ich sehr gelungen, zeigen sie doch mal wieder, dass ein ‚einfacher‘, kleiner Zwischenring in Kombination mit einem guten Objektiv eine phantastische Alternative zu den doch recht teuren Macro-Objektiven darstellt.
Weiterhin viel Spaß an der (Macro)-Photographie und beste Grüße,
-fotodisc-